SBV eG und ihre Mehrwerte

Historie der Wohnungs­bau­genossenschaften

Die Geschichte der Wohnungsbaugenossenschaften in Deutschland reicht bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Als Antwort auf die Wohnungsnot während der Industrialisierung entstanden die ersten Genossenschaften. Die Idee verbreitete sich schnell, und bis zum 20. Jahrhundert gab es zahlreiche Genossenschaften.

Während der Weimarer Republik wurden sie staatlich unterstützt. Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten sie eine wichtige Rolle im Wiederaufbau des Landes. Heute sind die Wohnungsbaugenossenschaften weiterhin bedeutsam, bieten bezahlbaren Wohnraum und fördern die demokratische Mitbestimmung und soziale Verantwortung.

Historie

1825 – 1888

Das erste gemeinnützige, noch nicht genossenschaftliche Wohnungs­unter­nehmen in Deutschland wurde 1825 in Elberfeld von Industriellen gegründet. Den genossenschaftlichen Ansatz der Selbstverwaltung führte Victor Aimé Huber zum ersten Mal 1848 in Berlin ein. 1878 in Flensburg bzw. 1885 in Hannover entstanden die beiden Prototypen späterer Wohnungs­genossen­schaften: Der Flensburger Bauverein errichtete Eigen­tumshäuser für seine Mitglieder, der Hannoveraner Spar- und Bauverein dauerhaften Gemeinschafts­besitz. Vor 1889 wurden allerdings nur einzelne Wohnungsgenossenschaften gegründet, da die Mitglieder laut Genossen­schaftsgesetz mit ihrem gesamten Vermögen hafteten.

1889 – 1918

Die 1889 ins Genossenschafts-Gesetz von 1867 aufgenommene beschränkte Haftung der Mitglieder führte zu einer wahren Welle von Genossen­schafts­gründungen. Hinzu kam zum ersten Mal die Möglichkeit, halböffentliche Baudarlehen zu erhalten, vergeben von den Landesversicherungs-Anstalten. Die Genossenschaften reformierten die Wohnbedingungen der wirtschaftlich Schwachen grundlegend. Mitbestimmung und Mitfinanzierung durch die Wohnungssuchenden führten zum Bau »gesunder«, gut ausgestatteter Wohnungen. Der Siedlungsbau orientierte sich vielfach am Ideal der Gartenstädte, Gemeinschaftseinrichtungen und zum Wohnen gehörende Infrastruktur wurden mitgeplant.

1919 – 1929

Die ersten Jahre nach dem Krieg waren geprägt von großer Wohnungsnot. Aufgrund der Inflation konnten die bestehenden Genossenschaften bis 1923 nur wenig bauen. Neue Genossenschaften von Wohnungssuchenden ent­standen. Menschen schlossen sich zusammen, um ganze Siedlungen an den Stadträndern in Bauselbsthilfe zu errichten, meist mit Gärten zur Versorgung mit Lebensmitteln. Nach der Inflation ab 1924 wurden schließlich staatliche Darlehen vor allem aus der »Hauszinssteuer« vergeben. Bis 1929 entstanden viele Großsiedlungen, die sich wieder an den sozialen Reformbewegungen der Jahrhundertwende orientierten. Inspiriert durch das »Bauhaus« wurden rationelle, standardisierte Bauweisen entwickelt, ohne die Qualität der Architektur zu vernachlässigen.

1930 – 1949

Mit der Weltwirtschaftskrise begann auch die Krise beim genossenschaftlichen Wohnungsbau. Neubau wurde zum Schlichtbau, der zu Lasten der Bau- und Wohnqualität ging. Diese Art des Wohnungsbaus wurde auch von den National­sozialisten gefördert. Zudem ordneten sie die Genossenschaftslandschaft neu. Es kam zu wirtschaftlich begründeten Zwangszusammenschlüssen, die aber ebenso den Zweck verfolgten, bisher politisch mißliebige Unternehmen zu neutralisieren und zu kontrollieren. Die demokratische Mitbestimmung wurde abgeschafft und in die meisten Vorstände Parteimitglieder eingesetzt. Viele Mitglieder verließen die Genossenschaften. Nach der Nazi-Diktatur wurden die Zusammenschlüsse nicht rückgängig gemacht, denn es gab brennendere Probleme. Die zerstörten Häuser mussten wieder bewohnbar gemacht werden.

1950 – 1974

Ab 1950 wurden die größten staatlichen Wohnungsbauprogramme in der Geschichte aufgelegt. Jährlich entstanden 200.000 bis 300.000 neue Sozialwohnungen. Trotzdem herrschte bis Ende der 1960er Jahre Wohnungs­knapp­heit. Denn nach dem Krieg mussten nicht nur »ausgebombte« Familien versorgt werden sondern zusätzlich Millionen Ost-Flüchtlinge. Es entstanden die typischen Siedlungen der 50er und 60er Jahre, zwei- und dreigeschossige Mehrfamilienhäuser und Anfang der 70er Jahre Hoch­haus­siedlungen an den Stadträndern, die in der Folgezeit vielfach zu sozialen Brennpunkten wurden. Es ging vorrangig darum, Wohnraum zu erstellen. Heute stammt oft mehr als die Hälfte des Wohnungsbestandes der Genossenschaften aus dieser Zeit. Mit dem Bau von Großsiedlungen und dem raschen Wachstum ging vielfach die Besonderheit der Genossenschaften als Unternehmen, die vom Engagement ihrer Mitglieder leben, verloren.

1975 – 1989

Zum ersten Mal in der Geschichte des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist es geschafft, das zumindest quantitativ ausreichend Wohnraum zur Verfügung steht. Die Unternehmen müssen sich umstellen und qualitativ gute Wohnungen für Bevölkerungsgruppen anbieten, die unterschiedliche Bedürfnisse an das Gut Wohnen haben. Es ist die Zeit der Modernisierung der Althausbestände, um sie in Zukunft vermietbar zu halten. Oft sind es die Genossenschaften, die besonders Behutsam an die Modernisierung herangehen und ihre Mitglieder daran beteiligen. Genossenschaften erinnern sich wieder an ihre Wurzeln als Unternehmen, die nicht allein Wohnungen produzieren, sondern die Lebens­qualität ihrer Mitglieder verbessern möchten. Der Qualitätsaspekt führt auch zur Gründung zahlreicher neuer Genossenschaften, die meist für kleine Gruppen bauen und neue Ideen von Selbsthilfe und Selbstverwaltung entwickeln.

1990 bis heute

Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten kamen auch auf die Wohnungsgenossenschaften Veränderungen zu. Zum 1. Januar 1990 wurde das 60 Jahre alte Gemeinnützigkeits-Gesetz gestrichen, das den Wohnungs­unter­nehmen bisher zwar eine sichere Basis für die Arbeit geboten hatte, ihnen aber gleichzeitig enge Grenzen für ihre Geschäftstätigkeit setzte. Die Befürchtung, daß sich die neue Freiheit negativ auf das soziale Selbstverständnis der Genossenschaften auswirken könnte, trat nicht ein. Die Bindung an die Mitglieder wird auch in Zukunft dafür sorgen, daß sich Genossenschaften gemeinnützig verhalten werden. Im Gegenteil: die stärkere Ausrichtung der Unternehmen auf den Markt hat vielerorts dazu beigetragen, daß neue Ideen entwickelt werden, die sich an den Bedürfnissen der unterschiedlichen Be­völkerungs- und Mitgliedergruppen orientieren. Die traditionellen genossen­schaft­lichen Werte wie Selbsthilfe, Selbstverwaltung und soziales Engagement haben sich dabei als zukunftsfähig erwiesen.